Doppelter Brandstifter
- dne.partners
- 1. Juni
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Wieder einmal war es mein Ministerpräsident, der mir den Schlaf raubt und mich jetzt, fünf Uhr morgens zwingt, einen Blog zu schreiben. Mal wieder hat er Putin, seinem außenpolitischen Traumpartner, das Wort geredet. Man kann ihm doch Nordstream II als Verhandlungsmasse vor die Nase halten. Dann gäbe es für uns billiges Gas und für die Ukraine Frieden. Sicher mit 20 Prozent Verlust des Territoriums und damit mit einem Kriegsgewinn für einen, der danach nicht Ruhe geben wird und der Litauen, Estland und Polen ins Visier nimmt. Eine Doppelmoralkatastrophe. Mal wieder. Denn neben der Ukraine beerdigt Kretschmer einmal mehr die von ihm so gehasste grüne Energiewende und damit unser Klima. Geht es so weiter, werden wir Schaden nehmen. Politisch und in der Frage des Klimawandels. Das ist inzwischen sicher. Die Frage ist nur noch: Wie hoch wird dieser sein. Das eingebundene Video zeigt sehr anschaulich und verständlich, wie dramatisch die Lage ist. Und: Seit ein paar Tagen ist klar, dass Sachsen "sein" Atomkraftwerk bekommen wird. 20 km von der Grenze entfernt auf tschechischer Seite. Warum jetzt? Warum wohl dort? Weil Sachsen seine Versorgung nicht entwickelt hat. Weil wir hoffnungslos der Energiewende nachlaufen und nach Putin-Gas rufen, statt endlich unsere Hausaufgaben zu machen. Nun formt sich mal wieder Protest der Bürgermeister. Größtenteils sind es dieselben, die auch gegen die Erneuerbaren zu Felde zogen. Mit freundlicher Unterstützung aus Dresden. Eine Katastrophe. Komplett hausgemacht. Wer gewinnen wird, wissen wir alle.
Michael Kretschmers Äußerungen zu Putin und Klima waren selten sinnvoll. In letzter Zeit aber häufen sich die Ausfälle. Mal abgesehen davon, dass dies zutiefst unmoralisch, egoistisch und Werte vergessend ist. Es hat - neben dem Verrat an den Ukrainerinnen und Ukrainern, die für ihre und unsere Freiheit kämpfen und dabei einen hohen, einen unmenschlichen Einsatz erbringen - noch eine andere, eine ebenso gewichtige Seite. Denn: Dieser seltsame, wie immer rückwärts gewandte Move eines ehemaligen Christdemokraten (Sie haben richtig gelesen), der gerne in Berlin gelandet wäre und deshalb auch vorzugsweise Außenpolitik im Wort führt, statt zuhause die Dammbrüche und imaginäre Brandmauern zu bekämpfen und der rechtsextremen Meute die Stirn zu bieten. Dieser irrlichternde Move lenkt auch davon ab, dass Sachsen energietechnisch gesehen abgekoppelt ist und dem galoppierenden Klimawandel auch nicht gedenkt, etwas entgegenzusetzen.
Der Anteil erneuerbarer Energien, also der billigsten aller Energieträger, an der Bruttostromerzeugung lag 2021 in Sachsen bei 17,9 %, während dieser in Deutschland bereits bei 42,4 % lag. Sachsen gehört damit im Bundesländervergleich bei den Flächenländern zum Schlusslicht. Letztes Jahr waren es bundesweit bereits knapp 60 %. Zahlen aus Sachsen fand ich dazu
keine, die als sicher zu bezeichnen wären. Lediglich lese ich in allen möglichen Statistiken, dass wir bei allen Wertevergleichen mit den anderen Flächenländern nachlaufen. Auch im Vergleich mit Sachsen-Anhalt und Thüringen hinken wir beim Anteil der Eigenstromproduktion massiv hinterher. In 2023 hatten wir sogar als einziges Bundesland einen negativen Ausbau, weil mehr Anlagen ab- als aufgebaut wurden. Und aktuell tut man auch wieder alles dafür, dem Stammtisch im Auftrag der AfD die "Windmühlen der Schande" vom Hals zu halten, mit einer endlosen Debatte über angebliche Technologieoffenheit, ein bisschen Putinfreundschaft und dem Aussetzen der Genehmigungserleichterungen, die bundesweit wenigstens vorübergehend den Irrsinn im Verfahren ein wenig eingedämmt hatten. Statt also hier tätig zu werden, redet Kretschmer nicht nur permanent die Energiewende tot. Er beerdigt diese aktiv mit.

Und das, obwohl das Land längst brennt. Politisch sowieso. Nun aber auch klimatisch. Die 1,5 Grad sind erreicht. Alles, was jetzt oben draufkommt, generiert mit wissenschaftlicher Sicherheit vorhersehbare Katastrophen. Wir brauchen die globale Netto-Null-Emission. Nicht irgendwann, sondern JETZT. Und statt daran zu arbeiten, was im Übrigen auch die kommunalen Kassen füllen würde, wenn Kommunen und Bürger endlich per Experimentierklausel eigene Stromerzeugungen und Wärmeanlagen bauen könnten. Statt den Menschen Mut zu machen und sie anzuhalten, diese Wege zu gehen, weil nämlich sonst für viele das Leben auf dem Land nicht mehr finanzierbar sein und Landwirtschaft immer schwieriger sein wird, ist Kretschmer mal wieder auf Putins Spuren unterwegs. Selbst die Nachrichten aus seinem Sachsen, dass die Landwirte intensiv zu spüren bekommen, was der Klimawandel macht, können ihn nicht aufhalten. Der Reflex, den Beifall weiter Teile der Boomer-Generation einzufahren und die CDU als einen Garanten zu definieren, der sich vom woken Westen nichts mehr vormachen lässt, der selber denkt und weiß, dass dieser "grün-ideologische Mist" nicht funktionieren kann, ist einfach zu stark.
Und so vergeht wichtige Zeit. Zeit, die wir nicht mehr haben. Schon heute wissen wir, dass jede Tonne CO2 Klimafolgekosten in Form von Katastrophen, Ernteausfällen und wachsender medizinischer Bedrohungslagen durch Hitze, aber auch höhere Pandemiegefahren produzieren wird. Die Vereinten Nationen sprechen von 700 bis 900 EUR je Tonne. Was bei Emissionen im Gigatonnenbereich pro Jahr unfassbar große Zahlen produziert. Wir sind also nicht nur bei der grünen Stromproduktion die weltweiten Geisterfahrer unter den Industrienationen (selbst China hängt uns um Lichtjahre ab). Nein. Wir wissen auch, dass nicht der weitere Ausbau, sondern eben dieses Nichthandeln unseren Wohlstand kosten wird. Denn wer nicht die eigenen Ressourcen konsequent nutzt, wird teuer kaufen. Schon jetzt ist klar, dass sich ohne politischen Eingriff und Wärmewende die Heizkosten absehbar verdoppeln werden. Ich kenne die ersten Fälle von älteren Menschen, die dann ihre Häuser aufgeben müssen. Von den Schadenprognosen, die sich klimatisch zusammenbrauen, mal abgesehen. Die Versicherungskosten steigen oder der Versicherungsschutz verschwindet sogar. Ein Teufelskreis hat begonnen.
Dazu kommt die normale Kostenentwicklung, die - wenden wir nicht - dramatisch Fehlentwicklungen aufzeigt. 80 MRD Euro kostet der jährliche Einkauf fossiler Brennstoffe bundesweit. Geld, das wir buchstäblich verfeuern und Folgekosten generieren. Und das wir inzwischen ausnahmslos zweifelhaften Nationen überweisen. Das EEG, also die viel kritisierte Umlage für die Finanzierung des Ausbaus der Erneuerbaren, bringt es lediglich auf 18 MRD im selben Zeitraum. Die aber finanzieren etwas, das mindestens 20 Jahre jedes Jahr Strom produziert, uns unabhängig von Despoten macht und das Klima schützt. Weil wir grünen Strom produzieren, der derzeit - zumindest auf Bundesebene - bereits 60 % unseres Gesamtverbrauchs ausmacht. Statt dies zu erkennen und zu befördern, hetzt man gegen alles, was damit einhergeht. Stellt sich damit auch gegen neue Industrien, die Zukunft haben. Autos bauen viele andere inzwischen besser. Wie skrupellos populistisch muss man sein, dies alles nicht erkennen zu wollen? Oder wie schwach, es nicht zu können?
Unsere Politik versagt gerade in Echtzeit. Unser MP betätigt sich als Brandstifter im doppelten Sinne. Politisch und in Sachen Klima. Aus purem Machterhalt heraus werden bei den Bürgern Ängste erzeugt, die sie eine Politik glauben und unterstützen lassen, die gegen ihre existenziellen Interessen läuft.
Im beigefügten Video erklärt Professor Seiffert ganz sachlich und physikalisch, warum wir keine Alternative zum Handeln haben. Und eigentlich derzeit nicht einmal Grund zur Hoffnung, dass wir das Problem noch irgendwie lösen werden. Für mich ist inzwischen klar: Die Zeit des Redens ist vorbei. Wir müssen handeln. Deshalb arbeite ich auch nun in diesem Bereich. Und tatsächlich hauptsächlich hauptamtlich ehrenamtlich. Denn die Kommunen haben kaum finanzielle Mittel, solche Eigenprojekte wirklich zu leisten. Sie brauchen Hilfe von außen. Das ist die Wahrheit. Und die Sächsische Energieagentur SAENA leistet zwar einiges, kann aber auch nicht für alle Kommunen so da sein, wie es sein müsste. Das ist kein Vorwurf, eher eine Feststellung des Status Quo für den die Kolleg:innen dort selbst nichts können.
Seit ein paar Tagen droht neues Ungemach. Tschechien hat angekündigt, direkt an der Grenze zum Erzgebirge ein neues Atomkraftwerk errichten zu wollen. Warum jetzt? Warum dort? Nun. Kein Zweifel, dass dies auch damit zu tun hat, dass Sachsen bei der Neustrukturierung seiner Energieversorgung hoffnungslos hinterherläuft.
Das Ergebnis politischen Versagens auf gleich mehreren Ebenen. Denn während man sich in Scheingefechten zur Laufzeit der Kohlekraftwerke verkämpfte, tat man alles, um die Erneuerbaren zu verteufeln. Neben der Anti-Grünen-Kampagne (Zitat: Man muss Grün kurz halten), die sich noch heute auf Mitglieder der Partei massiv auch privat auswirkt. Neben beinahe täglichen Appellen des Ministerpräsidenten über jene, angeblich katastrophal gescheiterte Energiewende und über "Heizungsgesetze", die es nie so gegeben hat. Neben all dem blieb eine Problemlösung liegen. Sachsen hat keinen Plan, wie man die Erneuerbaren zu entwickeln gedenkt. Man hat nur einen, CDU-intendierten Verhinderungsplan. Über teils Jahrzehnte wurde in den CDU-geführten und dominierten regionalen Planungsverbänden die entsprechende Planung von Wind- und Solarflächen zielgerichtet verschleppt. Orchestrierter Stillstand, der auch von vielen Bürgermeistern mitgetragen wurde. Der Stammtisch wollte dies alles nicht. Und der Stammtisch wählt. Ermuntert und unterstützt von Landesebene wurde so der Widerstand gegen alles gestärkt, was nach neuen Energien aussah. Langsam. Aber sicher. Die Ausnahmen lassen sich an zwei Händen abzählen. Und da bleiben noch Finger übrig.
Nun ist Showdown, denn der Atomstrom, der gerne von all diesen Protagonisten als Pseudoalternative ins Feld geführt wurde, weil man ja wusste, dass es in Sachsen kein neues AKW geben wird und die bisherigen Standorte alle weit weg sind vom eigenen Bürger. Dieser Atomstrom kommt nun. Direkt vor der eigenen Haustür. Und nun laufen die Bürgerinnen und Bürger Sturm. Und wer noch? Richtig. All jene Bürgermeister, die auch der Energiewende die Zähne zeigten.
Schuld sind - wie immer - die da oben, der Habeck und wer sonst noch alles. Niemals aber sie selbst. Keiner von den benannten "Streiter für den Stillstand". Die eine Hälfte grölt. Die andere will im Amt bleiben. Oder - wie in Freiberg - neuer OB werden. So geht sächsisch. Seit Jahrzehnten. Es ist ein flächendeckendes, politisches Versagen. Verantwortung steht hinter persönlichen Interessen. So hat Politik nicht die Kraft das Richtige zu tun. Auch und besonders, wenn es schwer ist und möglicherweise die eigene Wiederwahl riskiert.
Deshalb braucht es nun private Initiativen. Wir werden - auch wenn es schwierig ist - weiter daran arbeiten, solche zu entwickeln und Fakten aufs Land zu tragen. . Und zunehmen finden Kommunen diese Ansätze auch gut und prüfenswert. Und auch ihr könnt etwas tun. Ihr könnt unsere Arbeit mit Spenden unterstützen. Es ist auch euer Klima. Wir haben ja nur eins. Lasst uns jetzt alles tun, was in unseren Möglichkeiten steckt. Am Ende helfen wir damit auch der Ukraine und all den anderen, die sich solchen Despoten unterwerfen müssen. Um Windräder führt man keine Kriege. Um Öl und Gas schon. Wer also Frieden will, der sollte sich auch mit einem Windrad anfreunden.
Nicht mit Putin.
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