Wer AfD wählt, gehört dazu. Ohne Wenn und Aber.
- dne.partners

- 29. Juli
- 8 Min. Lesezeit
Ein Facebook-Eintrag, der offenbar Menschen bewegt. Positiv, wie negativ. Er zeigt, wie verletzt die ostdeutsche, ja vielleicht die gesamtdeutsche Seele ist. Doch es wird Zeit zu erkennen, dass alles Konsequenzen hat. Alles. Wer AxD wählt, gehört dazu. Wer nichts dagegen tut, bringt sie an die Macht. Es geht nicht um Schuld, Versagen und Angriff. Es geht um die Frage, wann wir endlich Verantwortung für uns übernehmen. Statt Extreme zu wählen, weil wir sie wollen.

Sonntagmorgen. Ich lag noch im Bett. Wir diskutierten die politische Lage. So, wie wir das immer und häufig tun. Besonders an den Wochenenden, wenn Zeit dafür ist. und wieder kamen wir zu der Frage, warum dieser Hass gerade im Osten inzwischen explodiert. Und das tut er. Es sei denn, man rechtsschwenkt mit. Ob Kommunalpolitik, Landespolitik oder die normalen Menschen von nebenan. Der gesamt Osten hat die Flucht in den Populismus angetreten. Endlich darf man einfache Antworten gut finden. Auch, wenn diese keine sind. Egal, denn endlich kann man sich aufschwingen und sich einreden, etwas Besonderes zu sein.
Wir oft höre ich: "Wir hier im Osten. Wir sehen klarer als die da drüben. Wir haben schon ein mal ein System gestürzt. Damals 1989."
Aber: Das ist Unsinn. Denn zum einen haben die meisten von denen, die diese Floskel benutzen, damals hinter der Gardine gestanden. Zumindest solange bis klar war, dass es nichtmehr gefährlich ist, auf die Straße zu gehen. Und die dann kamen, hatten keine politischen Ziele. Sie wollten Wohlstand. Und Freiheit. Ohne zu wissen, was dies wirklich meint. Ja. Es waren Tausende. Aber eben nicht Millionen. Mitnichten.
Das ist Wahrheit. Auch wenn diese den Wenigsten gefällt. Nein. Die 89er Wende war keine glorreiche Massenbewegung einer nach Geistes Freiheit lechzenden Gesellschaft. Im Gegenteil. Sie war eigentlich den meisten in den Schoß gefallen. Ohne eigenes Zutun. Nimmt man das Meckern zuhause im geschützten Raum mal raus. Das stattfand. Mutig, die Faust in der Hosentasche geballt. Beinahe so, wie man sich heute anonym mit seiner Wut auf andere stürzt. Es war, wie es wahrscheinlich immer ist, wenn Systeme stürzen. Am Anfang waren lange Zeit Menschen, die unter großem, persönlichen Risiko den Weg bahnten. Die Flugblätter im Keller über Ormig zogen. Die geheime Konzerte spielten. In Kunst und Kirche und in der Umweltbewegung gärte des. Die im Knast landeten und mit Berufsverbot belegt wurden.
An vielen Stellen im Land. Jahrzehnte dauerte dies. Es war kein Moment. Es war ein langer Weg. Und die, die ihn gangen. Die den ersten Trampelpfad in die sozialistischen Krusten trieben. Mühsam und mit Bedacht. Weil jeder Schritt der letzte in Freiheit hätte sein können. Wo sind diese Menschen heute? Sind es jene, die in Politik das Wort führen? Sind es jene, die man heute verehrt? Nein. Nur wenige haben überhaupt in der neuen Zeit eine Chance bekommen, politisch zu wirken. Denn: Schnell war klar, dass freie Geister auch in diesem Heute eher ungern gesehen sind. Hatten sie ja bewiesen, Resilienz leben und aushalten zu können. Wurden diese Menschen damals gewählt? Dafür, dass Sie diesen hohen Einsatz erbracht haben. Dass sie im Stasiknast saßen, für immer in sich tragen werden, dass Privatssphäre, dass persönliche Rechte nichts weiter sind als Phantasie? Das sie für immer wissen werden, dass die Unantastbarkeit des einzelnen Menschen davon abhängt, ob die Anderen da draußen zusammenstehen und dafür einzutreten bereit sind. Und die wissen, dass dies eine Illusion ist? Nein. Wurden sie nicht. Und unterstützt eben auch erst, als das System halbtot überm Gartenzaun hing.
Nein. Die wirklichen Massen rannten los, als die Mauer fiel. Für Freiheit? Demokratie? Menschenrechte? Nun, bei einigen Tausend, vielleicht von mir aus auch Hunderttausenden spielten diese Werte wirklich eine Rolle. Der Rest wollte D-Mark, Reisefreiheit und bunte, volle Schaufenster. Gewählt wurde, wer dies exakt versprach. Nicht der, der von einem wirklichen Neuanfang träumte und dafür eintrat. Das wollte eigentlich niemand. Mental blieb die Masse wieder hinter der Gardine. Nur kam diese jetzt aus dem Westen. Die, die wirklich Ideale hatten, blieben zumeist auf der Strecke.
Warum muss man das heute, 35 Jahre danach, zum Thema machen? Weil das sehr viel mit dem Jetzt zu tun hat. Die Hybris, mit der sich Verantwortungslosigkeit über Wahrheit stellt. Die Skrupellosigkeit, mit der man Geschichte, Realität und Wissenschaft in den Wind schlägt, um mit erfundenen "Argumenten" oder auch glatten, vorsätzlichen Lügen seine eigene Welt erfindet. Diese fußt oft auf dieser Erzählung vom angeblich starken, einzig "sehenden und wehrhaften" Osten. Der voller Wut und mit 35 Jahren Verspätung erkennt, dass er nicht weiter gekommen ist, als man damals schon war. Und der dies in altdeutscher Schrift trotzig an Hecks von LkW und Autos dokumeniert: O S T D E U T S C H L A N D.
Seht her: Wer sowas vollbrachte, der weiss Bescheid. Auch jetzt. Eine Marke der vermeintlich ungehört Entrechteten, die sich nun "endlich wehren".
Doch wogegen eigentlich? Dagegen, dass es beinahe jedem hier deutlich besser geht, als damals. Dass Fleiß und harte Arbeit Ergebnisse zeitigten? Dass viel geleistet und geschafft wurde? In nur drei Jahrzehnte eine graue Wüste in schöne Landschaften verwandelt wurde? Gegen Asphalt. Ziegel. Farbe. Fassadenschöne Welt. Gesamtdeutsch finanziert?Oder dagegen, dass man heute Allen und Jeden Alles und Jedes um die Ohren hauen kann? Ohne - wie damals - in einen unauffällligen Barkas oder Lada gezerrt zu werden, um erstmal zu verschwinden? Wogegen? Gegen die Leere. Und gegen das Unvermögen, gemeinsam zu wirken. Denn: Wo ist der Inhalt dieser bunten Hülle? Der Seelenstoff, der Stolz und Zufriedenheit in seiner friedlichen, in seiner guten Form generiert? Kurz: Wo ist der Sinn, der einen erfüllt und Selbstbewusstsein gründet. Der Menschen davor bewahrt, perspektivlos zu sein. Menschen, die - aufgeladen mit Versprechen - statt sich zu finden, nur sehen, was sie eigentlich noch haben müssten. Mehr, statt nachhaltig. "Wir hier zuerst" statt "denen helfen". Wohlstandskrieg statt Solidarität. Und "endlich darf man das mal sagen".
Was wurde aus den Werten?
Zusammenhalt? Gelebte Demokratie. Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit. Ja, auch Solidarität? Nein. Und auch hier sei gesagt: Natürlich gibt es viele Menschen, für die dies wichtiger Lebenszweck und Inhalt ist. Ich kenne viele davon. Und auch jene sind es, die - ähnlich wie die wahren Vorkämpfer der Wende - verlacht, als seltsam und ja als Feinde benannt werden. Die Masse tickt auch hier anders. Die Masse delegiert per Wahlkreuz Eigenverantwortung. Die, meist in eine Beschwerde und kluger Besserrede verpackt, dann zur Erwartungshaltung mutiert, um schließlich in der Wut des vom Service enttäuschten Gastes zu stranden. Weil jene, bei denen man das alles abzugeben sucht, zwar versprechen, alles "mitzunehmen" und sich zu "kümmern". Dies aber gar nicht leisten. Und auch nicht leisten können. Weil Gesellschaft - und schon gar nicht Politik - kein Lieferservice ist. Weil man die Probleme von Millionen Menschen nicht einfach so lösen kann, nur weil man ein Mandat verliehen bekam. Nicht die Probleme der Menschen soll man "mitnehmen", irgendwo einlagern und meistens vergessen. Vielmehr muss Politik Möglichkeiten schaffen. So, dass Menschen selber wirken können. Dass sie selbst Problemlöser sein können. Statt unhaltbare Lösungsversprechen übers Land zu fahren und Ermöglichung zu bringen. Also: Eine Politik zu machen, die Menschen in die Lage versetzt, Ihre Probleme selbst und selbstbestimmt lösen zu können. Seit drei Jahrzehnten tun wir dies nicht. Weil wir denen da draussen nicht vertrauen. Woher sollen die Bürger:innen auch wissen, was gut für sie ist und wie es richtig geht? Und ebenso lange wächst aus all diesen Gründen wütende Leere. Und ruft - da die alten Heilsbringer sich langsam abnutzen - nach Neuen. Nach einer Alternative zum Beispiel. Auch, wenn diese keine ist.
Der Osten wird so mehr und mehr zum Jammertal. Und zugleich zu einem gefährlichen Präzedenzfall für die Politik in diesem Land. Mit einer kleinen, aber gut organisierten Meute an der Spitze. Die laut, unverfroren und zu allem bereit das Ende dieses Landes herbeizureden sucht. Die dabei hetzt, lügt und die Schwache gegen Schwächere ausspielt. Die stetig Unfrieden stiftet, weil sie kein Interesse daran hat, starke Teile in einer Gesellschaft zu wissen und zu erhalten. Und einer politischen Mehrheit, die deren Slogans übernimmt, weil sie selbst keine Antworten mehr hat. Und die weiß, dass ihre Tage selbstverschuldet gezählt sind. Weil sie das Land totgekümmert hat. Ein bisschen wie die Band auf der Titanic. Die Wunschmusik spielt. Für eine gute Google-Bewertungen. Kurz vor dem Untergang. Das ist ein breites, vielleicht das größte Versagen politischer Eliten der Nachwendezeit.
Und derer, die sie wählten.
Denn: Was nun klingen mag, wie eine große Rechtfertigung für das wütende Volk, ist dies nicht. Im Gegenteil. Nichts von alledem geschah im Verborgenen. Keine heimliche Verschwörung. Keine Tricks. Nein. Es wurde schon immer offen versprochen, gebrochen, gelogen, verzerrt und gefälscht. Gedruckt in großen Zeitungslettern. Auf großen Plakaten. Was uns heute nicht gefällt, haben wir ermöglicht. Wir Bürger: innen, die mehr über den Doppelpunkt im ersten Teil dieses Satzes wüten können, als über einen Landrat, der sich mit Neonazis ablichten lässt. Oder Minister, die Milliardenschäden verursachen und zugleich den Ärmsten im Land die ohnehin geringe Hilfe streitig zu machen suchen. Was auch nur funktioniert, weil wir uns anstiften lassen zu glauben, dies wäre richtig. Und es ist ganz sicher keine Entschuldigung für all jene, die ihre Wut in ein AxD-Kreuz verwandeln. Nein. Es ist die klare Ansage, dass all jene, die Rechtsextreme wählen auch selbst dazu gehören. Ja, Sie haben richtig gelesen. Sie gehören dazu, wenn Sie einer solchen Partei an die Macht verhelfen. Klar und unmissverständlich. Wie könnte es auch anders sein. Sind es doch auch jene Wählende, die vehement brüllend und schreiend aber zu Recht Verantwortlichkeit auch von Politikern einfordern. Wir kann man etwas fordern, das für einen selbst nicht gilt? Wie kann man ständig einfordern, als Erwachsener Mensch behandelt und erstgenommen werden zu wollen, wenn man selbst nicht bereit ist, Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen ? Nein. Wer diese Partei wählt, der weiß, warum er oder Sie dies tut. Oder sollte sich dessen bewusst sein. Beides führt zum selben Schluss: Wer AxD wählt, will AxD und weiß, was er tut. Und er ist ebenso kein Opfer irgendwelcher dunkler Mächte. Er ist ein Extremer. Der maximal darunter leidet, sich die Ursachen für all die wütend machenden Missstände zuvor ebenfalls selbst zusammengekreuzt zu haben.
Wer AxD wählt, wählt ist Extremist
So war es auch 1933 und folgende. Wut wollte Versprechen. Versprechen füllten Leere, machte aus normalen Menschen Täter. Produzierte Herrenmenschen, die töteten, was nicht zum Volkskörper passte. Bäcker, Schuhmacher und Arbeiter wurden zu Mördern. Weil man es ihnen sagte. Und weil sie glaubten, sie wären tatsächlich etwas besseres. Die Anderen Feinde und Tiere. Am Ende lag die Welt in Schutt und Asche. Millionen waren tot. Sechs Millionen Juden brutal ausgelöscht. Vor den Augen von Millionen, die dies ermöglichten. Weil sie wegsahen. Weil sie es gut hießen oder es ihnen irgendwie egal war. Ja, auch weil sie Angst hatten. Der sie andere Leben opferten. Auch das ist eine bittere Wahrheit. Und die Täter? Waren es nicht! Waren nicht verantwortlich. Befehl war Befehl. Was soll man da machen? Doch nicht Hitler allein riss die Welt in den Abgrund. Es waren die Wählenden in Uniform, die ihm und seinen irren Handlangern die Macht dazu verliehen. Und dann ausführten, was die von Ihnen forderten. Wer heute AxD wählt, der wählt eine Partei, die die Nähe zu einem Krieg bringenden Russland sucht. Einem Land, dass seine Nachbarn überfällt. Das Zivilisten tötet und jetzt einst entführte, ukrainische Jugendliche an die Front schickt, um diese gegen ihre Landsleute kämpfen zu lassen. Oder besser: Sie dazu zu zwingen. Ein Land, dass derzeit konventionell rüstet, wie noch nie und das uns und dem gesamten Westen mit Atomschlägen droht. Offen und ohne Scheu. Weil wir einem überfallenen Land beistehen. Wie es sein sollte. Estland, Schweden, Litauen. Es herrscht pure Angst im Baltikum. Weit weg? Polen rechnet in 2027 mit einem Überfall, war gestern zu lesen. Was dies bedeutet, ist jedem klar, denn Polen ist Mitglied der Nato.
Wenn wir wollen, dass sich in diesem Land etwas ändert. Dann müssen wir aufhören, Verantwortung abzugeben. Wir müssen damit aufhören, Probleme wegzuschieben und lieber denen zu folgen, die uns einfach Lösungen versprechen, wo es nur komplexe Wege gibt. Die uns aus der Eigenverantwortung entlassen, weil sich das so gut anfühlt. Es gibt kein Handeln ohne Konsequenz. Das ist die Wahrheit. Wahlkreuze haben Konsequenzen. Ebenso wie das Wegsehen. Besonders in einer Demokratie. Denn die stirbt. Nicht an denen, die sie einzureißen suchen.
Sie stirbt an denen, die dabei zusehen.




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